St. Matthäus 9,14-17 | Aschermittwoch | Pfr. Dr. Martens

Fasten – ja oder nein? Diese Frage war damals zurzeit Jesu im Heiligen Land hochaktuell. Besser gesagt: Eigentlich war das doch gar keine Frage; das war doch völlig klar, dass man als frommer Jude fastete; es ging höchstens um die Frage, wie oft und wie intensiv man das tat. Natürlich fastete man, denn mit diesem Fasten versuchte man Gott dazu zu bewegen, endlich den Messias zu seinem Volk zu schicken, damit der sein Volk endlich erlöste und befreite. Wer sollte dagegen schon etwas haben?

Doch nun entdecken ausgerechnet diejenigen, die am eifrigsten fasteten, dass es da doch tatsächlich Leute gab, die sich an diesem Fasten nicht beteiligten: Jesus und seine Jünger machten beim Fasten nicht mit. War es denn nicht klar, dass alle, die ihren Glauben ernst nahmen, fasteten? Fasten – ja oder nein? War das etwa doch eine ernsthafte Frage?

Schwestern und Brüder: Es ist schon etwas ungewöhnlich, dass uns am heutigen Aschermittwoch zu Beginn der Fastenzeit eine Predigtlesung aufgetragen ist, in der geschildert wird, dass Jesus und seine Jünger sich nicht am allgemeinen Fasten beteiligt haben. Stellt sich also auch uns ausgerechnet an diesem Tage ernsthaft die Frage: Fasten – ja oder nein? Allerdings stellt sich uns diese Frage, so macht es uns Christus in der Predigtlesung des heutigen Tages deutlich. Und auf diese Frage müssen wir heute Abend zwei Antworten geben:

  • Fasten – Nein!
  • Fasten – Ja!


I.

Zunächst einmal müssen wir mit Nachdruck festhalten: Nein, wir fasten nicht! Der Tisch hier in unserer Kirche ist auch heute wieder reich gedeckt. Wir feiern gleich wieder fröhlich das Mahl des Herrn und werden dies auch die ganze Fastenzeit über reichlich tun. Wir feiern die Gegenwart unseres Herrn und verzichten darauf ganz gewiss nicht in diesen kommenden sieben Wochen – ganz im Gegenteil! Wie sollten wir auch auf das große Hochzeits-Freudenmahl verzichten wollen, wo doch der Bräutigam selber in unserer Mitte ist! Sakraments-Fasten, das wäre geradezu irrsinnig! Es geht doch jetzt in dieser Fastenzeit gerade darum, unser Leben immer intensiver auf ihn, Christus, auszurichten. Wie sollten wir da seiner Einladung fernbleiben, wie sollten wir da nicht immer wieder und immer mehr auf sein Wort hören wollen! Ja, es wäre geradezu eine Verkehrung der Fastenzeit, wenn wir uns so auf unser Fasten konzentrieren würden, dass wir gar nicht mehr zuerst und vor allem Christus wahrnehmen, von ihm unser Leben bestimmen lassen! Das war ja damals gerade das Unfassliche, dass die Jünger Johannes des Täufers und die Pharisäer fasteten, weil sie wollten, dass Gott endlich den ersehnten Messias schenkt – und dabei übersehen, dass eben dieser Messias schon direkt vor ihnen steht, angekündigt doch von Johannes dem Täufer selber: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!

Ja, diese Gefahr besteht auch heute wieder, auch und gerade in kirchlichen Kreisen, dass man jetzt in diesen Wochen alle möglichen Fastenaktionen startet, für das Klima fastet und für viele andere gute Zwecke vielleicht auch noch – aber Christus selber dabei gar nicht mehr im Blick hat. Zu solch einem Fasten können wir nur Nein sagen! Und noch größer ist die Gefahr, dass Menschen gerade auch in diesen Wochen der Fastenzeit tatsächlich ein Sakramentsfasten halten, die Einladung unseres Herrn zu seinem Tisch nicht annehmen, weil sie angeblich so viel anderes zu tun haben. Freiwillig auf den Empfang des Leibes und Blutes Christi zu verzichten, ohne das Sakrament die Fastenzeit zu durchleben – das wäre geradezu eine Perversion der Fastenzeit, und darum sagen wir zu solchem Fasten ganz klar Nein! Kein Verzicht auf Gottes Wort und Sakrament in diesen Wochen – ganz im Gegenteil!

Und noch in einer anderen Hinsicht sagen wir ganz energisch Nein zum Fasten – wenn nämlich das Fasten als ein gutes Werk angesehen wird, das wir tun müssen, um in den Himmel zu kommen. Wenn ich im Taufunterricht über die Fastenzeit spreche, dann betone ich als erstes immer mit Nachdruck, dass die christliche Fastenzeit nichts, wirklich gar nichts mit dem Ramadan zu tun hat. Fasten ist im christlichen Glauben kein Gesetz, das wir befolgen müssen, damit wir nicht in die Hölle kommen. Wir verdienen uns mit unserem Fasten nicht die Seligkeit. Solch ein Fasten im Sinne eines guten Werkes ist wie ein alter Weinschlauch, in den man keinen jungen Wein füllen darf, weil der noch gärt und den alten Weinschlauch damit zerreißt. Die Botschaft des christlichen Glaubens passt nicht in den alten Weinschlauch der Religion, deren Gesetze wir befolgen müssen, um uns den Himmel zu verdienen. Lieber überhaupt nicht fasten, als zu glauben, wir könnten Gott mit unserem Fasten beeindrucken! Lieber überhaupt nicht fasten, als zu glauben, wir müssten noch etwas hinzufügen zu dem, was Christus, unser Herr, für uns am Kreuz getan hat! Also ganz klar – Fasten: Nein! Auch und gerade am Aschermittwoch!

 

II.

Aber nun spricht Christus hier in unserer Predigtlesung davon, dass es in der Zukunft eben doch geschehen wird, dass auch seine Jünger fasten werden – dann, wenn der Bräutigam von ihnen genommen wird. Ja, der Tod des Bräutigams ist abzusehen – und an seinem Todestag werden seine Jünger fasten. Nein, es geht beim Fasten nicht bloß darum, dass wir mal der einen oder anderen schlechten Gewohnheit in unserem Leben auf den Leib rücken, dass wir in diesen Wochen vielleicht auch das eine oder andere Pfund Körpergewicht verlieren. Sondern wir fasten in der Tat deshalb, weil unser Herr Jesus Christus gestorben ist, erinnern uns damit daran, was er für uns getan hat – eben viel mehr, als bloß auf eine Tafel Schokolade zu verzichten. Alles, was er hatte, sogar sein eigenes Leben hat er dahingegeben, um uns zu retten. Und dafür sind die sieben Wochen der Fastenzeit sogar noch eine sehr kurze Zeit, um uns dies vor Augen zu führen. Und dann fasten wir tatsächlich auch hier im Gottesdienst, am Karfreitag, haben wir diesen einen Tag im Jahr, den Todestag unseres Herrn, an dem wir in der Tat auf die Feier des Heiligen Mahles verzichten, wie Jesus es hier in seinen Worten ankündigt.

Und ausgehend von dem, was Christus für uns am Kreuz vollbracht hat, sagen wir dann zugleich auch ein kräftiges Ja zum Fasten, und zwar zum christlichen Fasten, zum neuen Wein in neuen Schläuchen. Wir halten nicht irgendwelche Gesetze ein, um uns Pluspunkte bei Gott zu verdienen, sondern wir staunen darüber, was Christus für uns und mit uns gemacht hat, was er mit uns gemacht hat in unserer Taufe: Da hat er uns zu neuen Menschen gemacht, die schon mit ihm, Christus, gestorben sind, die vor sich nur noch das ewige Leben haben. Da hat er uns zu freien Menschen gemacht, die nun nur noch ihm, ihrem Herrn und Retter, gehören. Und dann ist es gut und sinnvoll, wenn wir uns in diesen Wochen fragen, ob es da irgendetwas in unserem Leben gibt, was uns außer Jesus Christus beherrscht, was uns nicht ganz als freie Menschen leben lässt. Dann ist es gut, wenn wir auf Dinge und Gewohnheiten verzichten, die sich zwischen uns und Christus schieben könnten. Dann ist es gut, wenn wir gerade auch bei einem solchen Fasten merken, wie schwach unser Fleisch ist, wie sehr wir in der Tat verloren wären, wenn unsere Rettung von uns und unserem guten Willen abhinge!

 Zu den erfreulichen Nebenwirkungen des Fastens gehört, dass wir dadurch in aller Regel in diesen Wochen Zeit gewinnen, Zeit, die wir sonst für manches ziemlich Überflüssige eingesetzt haben. Und diese Zeit können wir allemal dazu nutzen, um der Einladung unseres Herrn zu seinem Fest zu folgen – noch häufiger als sonst im Jahr. Denn wie gesagt: Wenn Christus uns an seinen Tisch einlädt, da sollen wir bloß nicht fasten! Amen.

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