St. Matthäus 9,35 – 10,1.5-10 | 5. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens

Sie können es einfach nicht verstehen, was hier bei uns in der Gemeinde geschieht: Diejenigen, die versuchen, mit ihren sehr weltlichen Vorstellungen zu erfassen, was in unserer Gemeinde abläuft. Da muss ich mir von Vertretern des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge immer wieder die Frage anhören, wieviel Geld wir denn von jedem Asylbewerber nehmen würden, den wir bei uns taufen. Sie können sich nicht vorstellen, dass unsere Arbeit von irgendetwas anderem geleitet sein könnte als von Geldgier. Ach, wenn diese Leute mal einen Blick in die Unterlagen unserer Rendantur werfen würden, dann wären sie von solchen abenteuerlichen Vorstellungen sehr schnell geheilt. Oder da erleben wir es immer wieder, wie Journalisten über unsere Gemeinde berichten – zumeist sehr wohlwollend, aber letztlich doch auch ein wenig ratlos, was uns denn zu dieser Arbeit veranlasst: Ist es der Wunsch des Pastors, seine vor einigen Jahren noch ziemlich leere Kirche hier in Steglitz endlich vollzubekommen? Ist es das soziale Engagement einiger religiös angehauchter Gutmenschen, das es hier zu bewundern gibt? Liegt es am Pastor, der hier in der Gemeinde sein Helfersyndrom in vollen Zügen zu befriedigen vermag? Oder sind wir hier in Steglitz, wie es die BILD-Zeitung ihren Lesern nahezulegen versucht, einfach nur ganz ordinäre Verbrecher, die versuchen, den Staat zu betrügen? Und wenn wir denn davon sprechen, dass wir hier in unserer Gemeinde Mission betreiben, dann schrecken nicht wenige, die von unserer Arbeit gehört haben, schon angesichts dieses Wortes zusammen: Mission ist doch etwas von vorgestern; das würde ja so etwas wie einen Wahrheitsanspruch des christlichen Glaubens voraussetzen, und von solch einem mittelalterlichen Denken haben wir uns ja wohl längst schon verabschiedet! Und so werden wir dann auch gleich von verschiedenen Vertretern der evangelischen Kirchen belehrt, heutzutage sei doch wahrlich keine Mission gegenüber Muslimen mehr angesagt; im Gegenteil sollten wir unseren christlichen Glauben durch Elemente des Islam bereichern lassen!

Ja, was bei uns in der Gemeinde geschieht, das ist Mission, gar keine Frage. Doch wichtig ist, dass wir verstehen, was mit Mission eigentlich gemeint ist. Und dazu kann uns die Predigtlesung des heutigen Sonntags in ganz wunderbarer Weise helfen. Ja, sagen wir es sehr deutlich: Was hier beschrieben wird, lässt sich nicht einfach auf unsere heutigen Verhältnisse anwenden. Beschrieben wird hier in unserer Predigtlesung, wie Jesus damals in der Zeit vor seiner Auferstehung seine Jünger innerhalb des Volkes Israel ausgesandt hat, um dem Volk Israel zuerst die Botschaft vom Kommen des Reiches Gottes zu verkündigen. Das Arbeitsgebiet war umgrenzt, und auch die Ausrüstung der Jünger damals entspricht nicht unbedingt dem, was heute bei Pastoren üblich ist. Ich sage ganz ehrlich, dass ich in dieser vergangenen Woche im Außenministerium in Washington durchaus Schuhe getragen habe, dass ich in meinem Gepäck auch Hemden zum Wechseln mitgenommen hatte und zwar nicht Gold oder Silber oder Kupfer eingesteckt hatte, sehr wohl aber meine Kreditkarte. Und dennoch können wir aus den Versen unserer heutigen Predigtlesung einiges sehr Grundsätzliche zum Thema „Mission“ entnehmen, was auch für unsere Arbeit in Steglitz heute immer noch von gleicher Bedeutung ist: Mission ist

  • von Christus gestartet
  • von Christus bevollmächtigt
  • von Christus getragen

 

I.

Vor einigen Wochen erregte eine von den großen Kirchen selbst in Auftrag gegebene Prognose über die Entwicklung der Kirchgliederzahlen in den kommenden Jahrzehnten einiges Aufsehen: Danach wird die Zahl der Kirchglieder in den kommenden Jahrzehnten hier in Deutschland auf etwa die Hälfte zurückgehen. Eine der Reaktionen, die daraufhin zu hören war, lautete: Wir müssen dringend mehr Mission betreiben!

O nein, Schwestern und Brüder: Wenn wir Mission betreiben, um die Mitgliederzahlen und die Kirchensteuereinnahmen der Kirche zu retten, dann haben wir nichts, aber auch gar nichts davon verstanden, was Mission eigentlich bedeutet. Dann sollte man das Fundraising nennen, aber nicht Mission.

Mission ist keine Notlösung, mit der die Kirche sich zu retten versucht. Sondern Mission geschieht aus keinem anderen Grund als dem, dass Christus selber Menschen losschickt, um Menschen an seiner großen Rettungsaktion Anteil zu geben. Christus hat die Mission der Kirche gestartet, er allein ist auch der Initiator der Arbeit, die hier in unserer Gemeinde geschieht. Und er nennt auch einen ganz klaren Grund: Mission geschieht nicht um der Kirche willen, sondern um der Menschen willen, die ihn, Christus, so dringend nötig haben. „Geängstet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben“ – so nennt Christus die Volksmenge, die er hier vor sich sieht. Und keine andere Analyse nimmt Christus auch heute angesichts der Menschen vor, die hier in Berlin und Brandenburg, die hier in Deutschland leben. Nein, das ist kein arrogantes Urteil, das Christus irgendwie von oben herab sprechen würde. Im Gegenteil: Der Anblick dieser Menschen zerreißt Jesus das Herz, heute nicht anders als damals. Es zerreißt Jesus das Herz, wenn er sieht, wie Menschen von denen, die sich als ihre Hirten ausgeben, im Stich gelassen werden. Es zerreißt Jesus das Herz, wenn er sieht, was die geistlichen Führer im Iran und Afghanistan mit den Menschen in ihrem Land machen. Es zerreißt Jesus das Herz, wenn er sieht, wie Menschen in unserem Land allen möglichen Heilsbringern nachlaufen, die doch am Ende nur das Beste von diesen Menschen wollen, nämlich ihr Geld. Ja, es zerreißt Jesus das Herz, wenn auch Hirten, die er selbst beauftragt hat, die, die ihnen anvertraut sind, nicht zu den frischen Quellen des Wortes Gottes führen, sondern sie an einem Mix von selbstgebastelter Religiosität und politischer Propaganda verdursten lassen. Ja, dieser Jammer Jesu, den er angesichts der Menschen, die er sieht, empfindet, ist der Ursprung aller Mission: Jesus kann es nicht ertragen, dass Menschen in die Irre gehen, verführt werden, verloren gehen. Und darum startet er die Mission, startet sie mit einer umwerfenden Verheißung: Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter. Während in den Kirchen in unserem Land überall über den Abbau von Pfarrstellen geredet wird, weil die Ernte angeblich immer dürftiger ausfällt, gibt Jesus hier genau die entgegengesetzte Losung aus: Es fehlen an allen Ecken und Enden Arbeiter in der Ernte! Bittet den Herrn der Ernte, bittet Gott, dass er Arbeiter in seine Ernte sende! Richtig ist, dass nicht nur Pastoren solche Erntearbeiter sind. Mit der Größe der Ernte wären sie glatt überfordert. Wenn ich in unsere Gemeinde schaue, dann sehe ich so viele Erntearbeiter, Menschen, die mit ihren wunderbaren Gaben, die Gott ihnen gegeben hat, andere Menschen zu Christus einladen. Aber eines sollte uns immer klar sein: Die Ernte ist groß, nicht klein. Klein ist nur unser Glaube, der so wenig von dem wahrnimmt, was Christus jetzt schon so klar vor Augen steht. Ja, wir treiben Mission, weil Christus damit begonnen hat, weil er zuerst Menschen ausgesandt hat, weil Christus uns die Augen öffnet für die Ernte, in der wir mitarbeiten sollen und dürfen.


II.

Mission – sie wird von Christus gestartet, und sie erfolgt in seiner Vollmacht, so zeigt es uns St. Matthäus hier zweitens. Nicht die zwölf Apostel starten von sich aus ein Programm mit klugen Plänen und Strategien. Sondern Christus schenkt ihnen die Vollmacht, das auszuführen, womit er sie beauftragt hat. Und diese Vollmacht besteht darin, Dämonen auszutreiben, Kranke zu heilen, Menschen die Nähe des Reiches Gottes zu verkündigen.

Schwestern und Brüder: Um nicht weniger geht es auch heute noch hier in unserer Arbeit. Es geht nicht um Mitgliederwerbung, nicht darum, dass wir Menschen einen Ort geben, an dem sie sich wohlfühlen können. Sondern wir können die Arbeit, die hier geschieht, nur verstehen, wenn wir uns klarmachen, dass es hier um nicht weniger als um einen Kampf mit Dämonen, ja, letztlich mit dem Teufel selber geht. Nicht umsonst hören wir hier in der Kirche immer und immer wieder die Worte: Door sho, ey ruhe napak; weiche, du unreiner Geist! In der Taufe werden Menschen der Macht des Teufels entrissen, der sie von Christus fernzuhalten versucht. Und darum gehört zu unseren Taufen immer wieder auch die offene Absage an den Satan, an den Islam, an Mohammad und die zwölf Imame. Es geht darum, dass der Islam eben nicht bloß ein mehr oder weniger nettes religiöses Angebot ist, sondern dass er Menschen von Christus fernhält, dass er ein Machtbereich ist, aus dem Menschen sich nicht selber befreien können, aus dem nur Christus Menschen entreißen kann. Und dieser Kampf mit dem Teufel, er endet eben nicht mit der Taufe, sondern fängt dort erst so richtig an. Denn der Teufel wird nichts unversucht lassen, um die, die zu Christus gehören, wieder unter seine Herrschaft zu bringen. Wir werden die Entscheidungen des Bundesamtes und der Gerichte nicht recht verstehen können, wenn wir sie nicht als Teil dieses geistlichen Kampfes wahrnehmen. Und wir wären naiv, wenn wir glauben würden, dass die, die hier getauft wurden, nicht mit allen möglichen Tricks wieder anschließend vom Teufel weggezogen würden, vor allem mit dem beliebten Argument, dass man nach der Taufe einfach keine Zeit für Christus hat.

Immer wieder wird uns gerade von frommer Seite der Vorwurf gemacht, wir würden als Kirche mit unserem Einsatz für unsere Asylbewerber tun, was nicht unsere Aufgabe als Kirche ist. Wir sollten den Leuten das Evangelium verkündigen, aber uns nicht auch noch weiter für sie einsetzen, ihnen womöglich auch noch Kirchenasyl anbieten. Das klingt so fromm und ist doch nicht biblisch. Ja, natürlich verkündigen wir, wo wir nur können, dass in Christus das Reich Gottes zu uns gekommen ist. Wir verkündigen es nicht nur, sondern wir feiern es immer wieder neu in jeder Feier des Heiligen Mahles. Aber zu den Aufgaben der Apostel gehört eben auch die Heilung der Menschen, die Sorge auch um ihre leiblichen Nöte. Ach, Schwestern und Brüder, wer ein wenig die Arbeit hier in unserer Gemeinde vor Ort mitverfolgt, der wird etwas davon miterleben können, wie hier in unserer Gemeinde immer wieder Heilung geschieht, wie Menschen, die geängstigt, vereinsamt, verzweifelt sind, hier aufatmen, heil werden an Leib und Seele. Ja, da, wo mit Christus das Reich Gottes kommt, dürfen wir immer wieder auch etwas von der heilenden Kraft unseres Herrn erfahren, mit der er uns in seiner Kirche bevollmächtigt hat.

 

III.

Damals hat Christus seine Jünger völlig mittellos und schutzlos losgeschickt, ohne Geld, ohne Stecken zur Verteidigung, ohne jede Absicherung. Die Jünger sollten erfahren: Es ist die Mission ihres Herrn, er sorgt für sie, auch im ganz Alltäglichen.

Wie gesagt: So mittellos wie die Jünger damals bin ich heute nicht, sind wir auch hier in der Gemeinde nicht. Und doch habe ich in den letzten Jahren immer wieder gerade an diese Worte unseres Herrn gedacht, wenn wir hier in unserer Gemeinde Planungen für das nächste Jahr, für die kommende Zeit durchgeführt haben. Menschlich gesprochen war das ja alles nur ein einziger Wahnsinn, was wir hier gestartet haben: Wo sollte bloß das Geld für diese Arbeit herkommen, wie sollten wir die ganze Arbeit bloß bewerkstelligen?

Doch wir haben es eben auch in unserer Arbeit immer wieder ganz handgreiflich erleben können, dass diese Arbeit nicht unser Projekt ist, sondern ganz und gar das Projekt unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns in diesen vergangenen Jahren immer wieder auf wundersame Weise finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, mit denen wir überhaupt nicht rechnen konnten. Und immer wenn es gerade nötig war, hat er uns Arbeiter in unsere Ernte geschickt, Arbeiter vor allem aus Finnland, ohne die wir unsere Erntearbeit nicht so hätten durchführen können, wie es in den vergangenen Jahren geschehen ist. Ja, so deutlich stellt es uns Christus immer wieder vor Augen: Ich sorge für euch, vertraut mir, auch gegen alle menschliche Vernunft! Es ist nicht eure Mission, es ist meine!

Und so bleibt auch uns nur, immer wieder der Aufforderung unseres Herrn zu folgen: Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende! Macht eure Türen nicht zu, denkt ja nicht, jetzt reicht es! Die Ernte ist noch viel größer, als wir es ahnen. Der Herr der Ernte weiß es – und er wird unsere Gebete nicht unerhört lassen! Es ist schließlich seine Mission! Amen.

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