Titus 3, 4–7 | Heiliges Christfest | Pfr. Turunen

„Ich verkündige euch große Freude, denn euch ist heute in der Stadt Davids der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, Halleluja!“

„Gnade sei mit euch und Frieden von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.“ † (Amen).

Hört Gottes heiliges Wort aus dem Brief des Apostels Paulus an Titus, aus dem dritten Kapitel:

Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, machte er uns selig – nicht um der Werke willen, die wir in Gerechtigkeit getan hätten, sondern nach seiner Barmherzigkeit – durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im Heiligen Geist, den er über uns reichlich ausgegossen hat durch Jesus Christus, unsern Heiland, damit wir, durch dessen Gnade gerecht geworden, Erben seien nach der Hoffnung auf ewiges Leben.

„Der Herr segne sein Wort an uns allen.“ Amen.

[Predigt] Liebe Schwestern und Brüder, wir haben heute die Szene des ersten Weihnachtsmorgens vor Augen: Maria, die junge Mutter mit ihrem Erstgeborenen. Josef, Marias Verlobter und einziger Helfer. Die Geburt in der vorhergehenden Nacht ereignete sich zeitlich möglichst ungünstig: Die Familie war gerade in einer fremden Stadt angekommen, und nicht mal eine ordentliche Herberge bekamen sie, sondern mussten in einem Stall übernachten. Und genau da setzen bei Maria die Wehen ein. Nicht einmal ein sauberes Bett gibt es für das Neugeborene, sondern die Krippe des Stalls darf als Bett dienen. Armut, Hilflosigkeit und Not zeichnen die ersten Momente des Lebens Jesu. Soviel hätte schief gehen können bei der kleinsten Komplikation. Kein Arzt war da zu helfen. Nur Josef, der vom Gebären nicht so viel Ahnung hatte, unterstützte Maria bei der Geburt. Das Kind aber kam gesund zur Welt.

Das ewige Wort Gottes, Gott der Sohn, war ins Fleisch gekommen und Mensch geworden. Es war sein Wille, dass er die heiligen Hallen des Himmels verließ, um in den Staub und den Mistgeruch des Stalls geboren zu werden. Er, den Millionen und Abermillionen von Engeln anbeten, wurde in schlechteren Verhältnissen geboren als die Kinder der ärmsten Menschen. Der heilige Logos, durch den diese Welt erschaffen wurde, wurde als hilfloses Baby in Windeln gewickelt. Die ewige Weisheit Gottes wurde in eine Krippe gelegt, die gerade kurz vorher noch von Viehfutter gefüllt war. Das strahlende Licht der Welt schlief im Dunkel des Viehstalls. Der Allmächtige, der diese Welt in seiner Hand hat, schlief in den Armen der jungen Maria. Die Kraft wurde Schwäche, der Herr wurde Knecht, Gott wurde Mensch.

Aber warum das alles? Es ist doch verrückt, wenn wir uns das so vor die Augen führen. Gott ist doch heilig, und das Heilige gehört nicht in den Stall, zwischen Ochs‘ und Esel, Mist und Heu. Das macht uns doch das ganze Alte Testament deutlich. Wenn der Hohepriester einmal im Jahr in das Allerheiligste trat, dann tat er es voller Angst und heiliger Furcht, und musste Blut des Opfertieres mitbringen, um nicht zu sterben. Oder als Usa aus Versehen die Lade des Herrn berührte, wurde er vom heiligen Zorn Gottes erschlagen. Oder als Mose vor dem brennenden Dornbusch war, zog er sich aus Ehrfurcht vor Gottes Heiligkeit die Schuhe aus. Heiligkeit, obwohl sie fremdartig ist, können wir irgendwie verstehen. Aber dass Gott selbst seine Heiligkeit auf den Kopf stellt, das ist doch ein Skandal. Warum tut er es also?

Unser heutiger Predigttext gibt uns die Antwort, und führt uns gleich eine Kavalkade von Begriffen vor: „Freundlichkeit“, „Menschenliebe“, „Barmherzigkeit“ und „Gnade“ sind Gottes Beweggründe. Aus purer Liebe zu uns Sündern kam Gott zu uns in Christus. Aus purer Liebe zu uns zog der Herrscher des Universums seine Heiligkeit aus und wurde ein nacktes Baby im Stall. Und über der Krippe Betlehems sehen wir schon den Schatten des Kreuzes. Der Anfang und das Ende des irdischen Lebens Christi fand in kompletter Erniedrigung statt. Nackt und blutig kam er in diese Welt, nackt und blutig starb er am Kreuz. Nur gesellschaftlich marginalisierte Hirten kamen ihn zu begrüßen bei seiner Geburt. Nur eine Handvoll Menschen nahmen von ihm Abschied unter dem Kreuz. Keiner öffnete ihm die Tür, als er in diese Welt kam, keiner öffnete ihm sein Herz, als er am Kreuz hing. Als Konstante haben wir Maria, die sowohl bei der Geburt als auch beim Tod des Messias als Zeugin dabei ist. Im Dunkel des Stalls kommt Gott in diese Welt, im Dunkel Golgathas stirbt er. So sieht Liebe aus. Der Gottessohn wusste, was ihn hier erwartet, als er Mensch wurde: Leiden, Schmach und Tod. Und trotzdem sprach er: „Vater, dein Wille geschehe“, und wurde Mensch, mit all dem Leiden vor Augen. Freundlichkeit und Menschenliebe, Barmherzigkeit und Gnade waren seine Motivation.

Denn wir sind ja Sünder, wir alle sind schuldig, und wie im Predigttext steht „[er] machte uns selig – nicht um der Werke willen, die wir in Gerechtigkeit getan hätten, sondern nach seiner Barmherzigkeit“. Wir mussten selig gemacht werden, das heißt von Sünden gereinigt werden, dass wir nicht in den ewigen Tod kommen, und unsere eigenen Werke haben nicht ausgereicht. Vor Gott gibt es keine große Waage, auf der die guten Werke und die Sünden abgeglichen werden. Nein, es ist viel mehr wie beim Strafzettel im Verkehr: egal, wie oft du dich an die Verkehrsregeln gehalten hast, wenn du einmal zu schnell fährst und geblitzt wirst, dann musst du zahlen. So ist es auch bei den Sünden: Einmal gesündigt, alles kaputt. Jetzt kommt aber der Heiland, der Retter, Jesus Christus, und er übernimmt die Zahlung deiner und meiner Strafzettel, er übernimmt die Strafe für deine und meine Sünden.

Und ganz umsonst schenkt er uns diese Rettung. Wir wären es nicht wert gewesen, dass wir so gerecht und selig gemacht werden. Aber trotzdem macht er es mit uns aus Freundlichkeit, Menschenliebe, Barmherzigkeit und Gnade. Jesus ging in die Erniedrigung, dass wir erhöht werden. Jesus starb, dass wir neu geboren werden „durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im Heiligen Geist, den er über uns reichlich ausgegossen hat“. Wir haben hier vor uns eine der schönsten Bibelstellen über die Taufe, das „Bad der Wiedergeburt“. Da, im Taufwasser, werden wir durch das Wort Gottes wiedergeboren, da werden wir Gottes Kinder. Wieder ist es paradox: Gott wurde ein Kind, dass wir Gottes Kinder werden. Dazu werden wir in der Taufe reichlich mit dem Heiligen Geist übergossen, der Heilige Geist kommt zu uns und bleibt immer bei uns. So werden wir Erben des ewigen Lebens. Deshalb ist Christus gekommen, um dich und mich zu retten.

Die Welt wusste von all dem noch nichts, als der Heiland in der Stadt Davids in seiner Krippe schlief. Aber für diese Mission war er gekommen und er würde sie treu zu Ende bringen. Schlummernd nahm er die Anbetung der Hirten entgegen und ließ sich von seiner Mutter und von Josef pflegen wie jedes Kind. Die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, seine Barmherzigkeit und Gnade, ruhte an diesem Weihnachtsmorgen in den Armen Marias.

Amen.

“Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. † Amen.”

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