Leitsätze des Dienstes der Evangelisch-Lutherischen Dreieinigkeits-Gemeinde in Berlin-Steglitz an Flüchtlingen
Die Evangelisch-Lutherische Dreieinigkeits-Gemeinde in Berlin-Steglitz ist seit Mai 2015 eine eigenständige Gemeinde der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche. Ihre Selbstständigwerdung ist die Folge eines großen Zustroms vor allem farsi- und darisprachiger Flüchtlinge, die seit 2011 ihre geistliche Heimat zunächst in der evangelisch-lutherischen Marien-Gemeinde in Berlin-Zehlendorf und seit 2013 im Missionsprojekt Berlin-Steglitz der Marien-Gemeinde fanden.
Zentrales Motiv unserer Arbeit ist das Evangelium von Jesus Christus, das seinen verdichteten Ausdruck in den Worten aus Joh 3,16 gefunden hat: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Die Liebe Gottes gilt der ganzen Welt ohne Ausnahme; sie gilt darum auch den Menschen aus dem Iran und Afghanistan; sie gilt darum auch Christen wie Muslimen. Diese Liebe Gottes möchten wir in unserer Gemeinde allen Menschen bezeugen. Dabei haben wir in unserer Gemeinde in besonderer Weise eine Infrastruktur für farsi- und darisprachige Menschen geschaffen. Diese umfasst Taufunterrichte und Bibelstunden mit farsisprachiger Übersetzung und Gottesdienste mit einer Reihe von farsisprachigen Elementen ebenso wie gemeinsame Mittagessen und Feiern sowie Angebote von Sozialsprechstunden mit farsi- und darisprachigen Dolmetschern. Dabei haben wir uns in den vergangenen Jahren auch einige Kompetenzen im Bereich des Asyl- und Aufenthaltsrechts angeeignet
Wir sind davon überzeugt, dass nach Johannes 14,6 Jesus Christus der einzige Weg zu Gott dem Vater ist. Dies gilt auch für Muslime, denen wir dieses Zeugnis schuldig sind. Ihnen gegenüber sollen und dürfen wir diesen Selbstanspruch Jesu nicht verschweigen oder verschleiern. Wenn wir Muslimen Christus bezeugen, geht es uns nicht darum, Menschen, die eine andere Religion haben, oder gar deren Kultur herabzuwürdigen. Wir nehmen aber zugleich auch die vielen Leidensgeschichten wahr und auch ernst, die Flüchtlinge in unserer Gemeinde aus ihrem Leben in einer islamisch geprägten Gesellschaft zu berichten wissen.
Wir legen Wert darauf, dass Asylbewerber, die zu uns kommen, in keiner Weise unter Druck gesetzt werden, den christlichen Glauben anzunehmen. Hilfe für Menschen in Not wird nicht von ihrer Hinwendung zum christlichen Glauben abhängig gemacht; wir unterstützen auch muslimische Asylbewerber, wenn sie Hilfe brauchen. Zugleich orientieren wir uns an den Worten aus Galater 6,10: „Lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen.“ Wir legen ebenso Wert darauf, dass diejenigen Asylbewerber, die vom Islam zum christlichen Glauben konvertieren möchten, eine gründliche Unterweisung in ihrer Muttersprache in einem mehr als dreimonatigen Taufunterricht erhalten und in dieser Zeit auch in unser Gemeindeleben hineinwachsen. Am Ende dieser Unterweisung steht jeweils eine Abschlussprüfung, in der wir uns von der Ernsthaftigkeit des Taufbegehrens bei jedem einzelnen Taufbewerber persönlich überzeugen. Wenn wir diese Ernsthaftigkeit nicht erkennen können, wird die Taufe in unserer Gemeinde verweigert. Unser Umgang mit Taufbegehren von Asylsuchenden entspricht von daher ganz der Handreichung, die im November 2013 vom Kirchenamt der EKD und der Vereinigung Evangelischer Freikirchen herausgegeben wurde.
Die Taufbewerber und die bereits getauften Flüchtlinge, die zu uns kommen, haben sich zu einem nicht geringen Teil schon in ihrer Heimat im Iran und sogar auch in Afghanistan bereits dem christlichen Glauben zugewandt und mussten darum aus ihrer Heimat fliehen. Andere haben auf ihrer Flucht die Hinwendung zum christlichen Glauben vollzogen. Diejenigen Taufbewerber und Gemeindeglieder, die sich schon dem christlichen Glauben zugewandt haben, laden nun ihrerseits Menschen in den Asylbewerberunterkünften in Berlin und Brandenburg und darüber hinaus zum christlichen Glauben und konkret auch in unsere Gemeinde ein. Die Missionsarbeit in unserer Gemeinde geschieht fast ausschließlich durch die Flüchtlinge selbst und nicht durch den Pfarrer der Gemeinde, der nur anschließend die Unterweisung und Taufe vornimmt; diese Missionsarbeit geschieht auch nicht strategisch, sondern hängt ganz vom jeweiligen Engagement der christlichen Flüchtlinge selber ab.
In unserem Einsatz für farsi- und darisprachige Flüchtlinge sind wir ökumenisch vernetzt mit anderen Gemeinden unserer Stadt, die ebenfalls mit farsi- und darisprachigen Flüchtlingen arbeiten. Wir unterstützen und informieren uns in dieser Arbeit gegenseitig und sehen uns dabei nicht als Konkurrenz zueinander.
Ein besonderes Anliegen unserer Gemeinde ist der Einsatz zum Schutz von Menschen, die aufgrund des Dublin-Vertrags von Abschiebungen in Länder bedroht sind, in denen ihr Leib und ihr Leben gefährdet sind. Wo wir solche Bedrohung von Leib und Leben erkennen können, sind wir als Gemeinde dazu bereit, in Einzelfällen auch Kirchenasyle zu gewähren. Dabei arbeiten wir in Verbindung mit den Mitarbeiterinnen von „Asyl in der Kirche“.
In unserem Einsatz für Flüchtlinge lassen wir uns leiten von dem Wort aus Sprüche 31,8: „Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.“ Wir erleben bei vielen unserer Taufbewerber, dass sie in ihren Heimen und Unterkünften ihren christlichen Glauben nicht frei praktizieren können, sondern verbergen müssen, weil sie ansonsten von Mitbewohnern bedroht, gemobbt und angegriffen werden. Wir setzen uns für wirksame Maßnahmen zu ihrem Schutz ein und sehen uns darin ermutigt durch den Brief, den der Ökumenische Rat Berlin-Brandenburg am 1. März 2016 zu diesem Thema an den Regierenden Bürgermeister von Berlin geschickt hat.
Wir sehen die Flüchtlinge, die in unser Land kommen, nicht als Bedrohung, sondern als Geschenk an, ja als einen Segen, den all diejenigen wahrnehmen können, die in den Fremden nach Matthäus 25,35 Christus selber erkennen und ihm dienen. Wenn wir ihnen auch das Evangelium bezeugen, tun wir dies nicht, um ihre Notlage auszunutzen, sondern weil wir ihnen das Beste, was wir haben, nicht vorenthalten, sondern es mit ihnen teilen wollen. Mit großem Nachdruck weisen wir alle Versuche zurück, unseren Einsatz für christliche Flüchtlinge von fremdenfeindlichen und rassistischen Gruppierungen, Organen oder gar Parteien instrumentalisieren zu lassen. Auch alle Kritik an den zum Teil massiven Missständen in den Asylbewerberunterkünften unseres Landes soll von unserer Seite der Akzeptanz des Einsatzes für Flüchtlinge in unserem Land und der Offenheit für die Aufnahme weiterer Flüchtlinge dienen und diese fördern. Wir sind von Herzen dankbar für die wunderbaren Menschen, die Christus selber in unsere Gemeinde geführt hat und denen wir mit unseren sehr begrenzten Mitteln dienen dürfen. Sie werden unsere Gemeinde und Kirche auch in Zukunft bereichern.